Arbeitslosenentschädigungen für Grenzgänger

Derzeit gilt in der EU, dass im Prinzip (mit ein paar wenigen Abweichungen) der Wohnort die Arbeitslosenentschädigungen für Grenzgänger bezahlt. Das ist auch in den Anhängen zum Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Schweiz so vereinbart. 2017 – 2019 hat die EU eine Änderung dieser Regel diskutiert. Neu soll nicht der Wohnort, sondern der Arbeitsort der Grenzgänger die Arbeitslosenleistungen erbringen.

Diese Regeländerung benachteiligt aber die Kleinstaaten Luxemburg und Schweiz (mit ihren über 400‘000 Grenzgängern) massiv. Das Bundesamt für Migration schätzte, dass die neue Regel die Schweiz schon bei 300‘000 Grenzgängern jedes Jahr einen höheren dreistelligen Millionenbetrag kosten würde.
Die heutigen Abkommen sind (mit wenigen Ausnahmen) statisch. Änderungen brauchen das Einverständnis der Schweiz. Die neue Regel gilt für die Schweiz nur, wenn sie einverstanden ist. Unter den heutigen statischen Abkommen muss die Schweiz diese Beträge also nicht bezahlen.
Umgekehrt ist diese Regeländerung unter der „dynamischen Rechtsübernahme“ per Neuvertrag beim Personenfreizügigkeitsabkommen sofort auf die Schweiz anwendbar. Gelingt es der Schweiz, nach 10 Jahren Verfahren an der Ausnahme festzuhalten, so stellt sich die Frage nach den angemessenen Ausgleichsmassnahmen. Angemessen und verhältnismässig sind sie, wenn sie die Schweiz gleich viel schaden wie der Verzicht auf die Ausnahme, nämlich einen höheren dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Die Schweiz wird benachteiligt, mit oder ohne Ausnahme. Da kann man sich Abstimmungen und das Prozessieren um die Ausnahme sparen: Der Effekt ist der gleiche.
Zwar hat die EU diese Änderung vorerst auf Eis gelegt. Ist das Rahmenabkommen aber einmal angenommen, so kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass die finanziell gestressten Nachbarstaaten Frankreich und Italien sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, die hohen Lasten auf die Schweiz abzuschieben, indem sie die EU-Regeln entsprechend ändern.

Dynamische Rechtsübernahme gemäss Neuabkommen birgt hohe Risiken;

In diesem Beispiel
Zusatzlasten von hunderten von Millionen pro Jahr

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Dynamische Rechtsübernahme; Ausgleichsmassnahmen; Volk das letzte Wort;
Vorläufige Anwendung von EU-Recht

Aufdatierung der bisherigen Bilateralen Verträge?

Immer wieder lesen wir, dass wir den Neuvertrag für die Anpassung der Bilateralen Verträge an geänderte Verhältnisse unbedingt brauchen. Wie Frau Professor Christa Tobler noch im August 2017 in Ihrem EU-Brevier festhalten konnte, fanden auch ohne Rahmenabkommen jedes Jahr regelmässig über 100 dieser Anpassungen statt. In der überwiegenden Anzahl Fälle konnten sich die Schweiz und die EU auf eine Aufdatierung einigen. Nur selten konnte ein Problem langfristig nicht gelöst werden. Als Beispiel eines derart seltenen, wichtigen, langfristigen Problems nennt Frau Tobler die Anmeldefrist von 8 Tage bei den Flankierenden Massnahmen. Dieses riesige Problem ist nach 10 Jahren unproblematischen Verkehrs zu einem unförmigen Elefanten angewachsen. Es zeigt klassisch die Schwäche der dynamischen Rechtsanpassung. Der Lohnschutz, zufolge der hohen Löhne und Preise ein in der Schweiz besonders akutes Problem, überlebt unter dem Regime des Neuvertrages nur in amputierter, unzureichender Form.

Gestoppt wurde die Aufdatierung des Konformitätsabkommens erst, als die EU anfangs 2018 jede Anpassung verbot. Erst diese Verletzung des Abkommens durch die EU führt zu einer „Erosion der bisherigen Verträge“.
Langfristig dürfte sich der im Konformitätsabkommen vertraglich vereinbarte Aufdatierungsmechanismus auch ohne Rahmenabkommen wieder einpendeln, nachdem gemäss Avenir Suisse „Bilateralismus, was sonst?“ die Unternehmen in der EU ein weit grösseres Interesse an einer Aufdatierung haben. Vielleicht setzt sich auf Dauer wirtschaftliche Vernunft auch ohne Neuvertrag gegen politische Spielchen durch. Die Schweizer Exporteure müssen für ihre Exporte in die EU ohnehin EU-Recht befolgen. Dafür spielt die Aufdatierung des Abkommens keine Rolle.



Für die Aufdatierung der bisherigen Bilateralen Verträge
braucht es keinen Neuvertrag,

nur Erfüllung der bisherigen Bilateralen Abkommen
durch die EU.

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Erosion der bisherigen Bilateralen Abkommen; Lohnschutz;
Konformitätsabkommen;Wie weiter mit erodiertem Konformitätsabkommen