Verhandlungserfolge der Schweiz ?
Von Verhandlungserfolgen könnte nur gesprochen werden, wenn die Schweiz mit dem Neuvertrag konkret besser dastünde als ohne.
Das betrifft einerseits die Ziele, die sich die Schweiz gesetzt hat. Welche davon schlagen sich in konkreten Verpflichtungen der EU nieder? Marktzugang? Wo finden sich diesbezüglich Verpflichtung der EU im Neuvertrag ? Gibt es sie? Erosion der bisherigen Bilateralen? Nach dem Neuvertrag grösser als heute. Rechtssicherheit? Mit dem Neuvertrag weniger als heute. Beseitigung von Diskriminierungen, Ausschluss von den Forschungsprogrammen etc.? EU kann jederzeit kündigen. Stabilität im Verhältnis zur EU? Zufolge der gestiegenen Anzahl der Reibungsflächen mehr Instabilitäten durch den Neuvertrag. Sanktionen müssen verhältnismässig sein? Ohne Neuvertrag stimmen wir überhaupt keinen Sanktionen zu. Details zur Begründung unter den Stichworten A – Z.
Den grössten Verhandlungserfolg ortet der Bundesrat beim Faktum, dass das Volk das letzte Wort dazu hat, ob eine EU-Regel in der Schweiz gilt. Ablehnen können wir sie allerdings nur, wenn wir Sanktionen akzeptieren. Aber wo ist da der Fortschritt gegenüber dem heutigen Zustand, wo die Volksabstimmung auch das letzte Wort hat, aber ohne die EU zu fragen, ohne langwierige Verfahren und ohne vereinbarte Sanktionen wie z.B. Suspendierung unserer Bilateralen Abkommen? Rückschritt statt Fortschritt.
Der Bundesrat hebt weitere Verhandlungserfolge hervor. Z.B. die Verpflichtung der EU, Nacht- und Sonntagsfahrverbot für Lastwagen in der Schweiz zu dulden. Sie besteht schon heute ohne Neuvertrag. Oder die Beschränkungen bei den Flankierenden Massnahmen oder Bewahrung des Taktfahrplans. All diese Rechte haben wir ohne Neuvertrag und ohne Einmischung der EU. Erläuterungen zu den einzelnen Punkten in der Dokumentation unter den Stichworten A – Z.
Nicht einmal die immer wieder als Vorteil gepriesene Zufriedenstellung der EU ist verwirklicht. Die Gründe dazu unter dem roten Stichwort
Die Frage bleibt:
Wo sind die neuen Verpflichtungen der EU?
Wo sind konkrete Verbesserungen unserer Situation nach dem Neuvertrag verglichen mit vor dem Neuvertrag?
Gerne höre ich von Lesern, wo ich sie konkret finden könnte (r.wengle@bluewin.ch). Und wenn man sie denn fände, müssten sie noch gegen die im Neuvertrag übernommenen Verpflichtungen, Zusatzbürokratie und Risiken der Schweiz und die Einbussen bei tragenden Staatsgrundsätzen wie Demokratie, Bürgernähe, Flexibilität und Vertrauen abgewogen werden.
Wo stehen wir mit Neuvertrag besser da als ohne ?
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Oder: Verhandlungstaktik der EU
Verhandlungstaktik der EU
Die EU hat schon früh der Schweiz auf informeller Basis ihre Wünsche für ein Rahmenabkommen kundgetan. Im Jahre 2012 ergab sich ein offizieller Briefwechsel zwischen der Schweiz und der EU, der praktisch alle wichtigen Elemente des Abkommens schon enthielt. Dann wurde noch 8 Jahre um Details gestritten. Da sich das Rahmenabkommen als deutlich negativ für die Schweiz erwies, brach die Schweiz die Verhandlungen ab.
Die Hoffnung, dass die EU daraus gelernt hat, zerschlug sich und die Verhandlungen wurden mit den gleichen als negativen erkannten Inhalten wie „Dynamischer Rechtsübernahme“, „Streitbeilegung durch das Gericht der Gegenpartei“ , „Beihilfenbürokratie“ wieder aufgenommen. Resultat ist nun der Neuvertrag. Mit praktische gleichen, teilweise wörtlich gleichen Regelungen wie im Rahmenabkommen, nur gut versteckt in den 800 Seiten des Vertragspakets.
Die EU hat in wenigen wichtigen (z.B. Nacht- und Sonntagsverbot für Lastwagen) und unwichtigen Punkten (Importverbot für Cotoneaster) Ausnahmen von ihren jetzigen Regeln bewilligt. Dazu kamen Scheinkonzessionen wie das dem EuGH vorgelagerte Schiedsgericht, die mit monströsem Verfahren und Sanktionen wirkungslose «Bewahrung unserer Demokratie» oder die zahnlosen Konzession bei den Flankierenden Massnahmen.
Als sich in der Schweiz massive Widerstände zeigten, erklärte die EU die Verhandlungen als beendet und beharrte danach auf dem ende 2018 publizierten Text. Insgesamt drängte sich folgendes Zitat auf:
„Man knallt den Partnern ein Paket auf den Tisch und sagt:
So machen wir das“(Günter Verheugen, ehemaliger EU-Kommissar in NZZ 27.11.2018, wo er die Verhandlungsmethoden der Franzosen kritisierte)
Als die Schweizer nicht mitmachen wollten, soll Jean Claude Juncker einem Mitarbeiter gesagt haben: „Give me a stick“, mit dem er die Schweizer behandeln wollte. Seine Mitarbeiter fanden die Verweigerung der Börsenäquivalenz. Nach etlichen Drohungen mit entsprechend demütigem Widerhall in der Schweizer Presse, wie sehr das der Schweiz schaden werde, verwirklichte die EU die Sanktion. Und das Resultat: Massiv verbesserte Umsatzzahlen bei der Schweizer Börse. Höhere Kosten dafür bei der grundsätzlichen Weigerung, die vertraglich vereinbarte Aufdatierung des Konformitätsabkommens durchzuführen, usw. Verweigerung der Forschungszusammenarbeit (vgl dieses Stichwort). Mittlerweile die Bemühungen um gutes Wetter.
Aus taktischen Gründen wurde damals das Hauptziel der EU, das Freihandelsabkommen 1972 den massiv angewachsenen Ansprüchen der EU anzupassen, nicht in den Vertragstext, sondern in die „Gemeinsame Erklärung“ integriert. Das führte dazu, dass eine neue Verhandlungsrunde vereinbart wurde. Allerdings wurden die Eckwerte, die Anwendbarkeit des Rahmenabkommens und das Beihilfenregime schon im damaligen Rahmenabkommen Abkommen fix festgehalten. Und heute ?
Sollte diese Verhandlungstaktik der EU bezüglich des Neuvertrages erfolgreich sein, so ist nicht einzusehen, weshalb die EU in künftigen Verhandlungen auf Drohungen, Schikanen etc. verzichten sollte, mit oder ohne Neuvertrag.
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Verhandlungserfolge der Schweiz; Börsenäquivalenz; Freihandelsabkommen 1972
Forschungsabkommen
