Keine neue Bilateralen Abkommen ohne Neuvertrag?

Die EU behauptet derzeit, ohne den Neuvertrag schliesse sie keine neuen Bilateralen Abkommen mehr mit der Schweiz ab. Damit stellt sich die Frage, welche derartigen Vertäge die Schweiz denn haben möchte.
Economiesuisse hat dazu eine Umfrage bei ca. 1000 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern durchgeführt. Davon haben 55 % keine neuen Bilateralen Abkommen als wünschbar bezeichnet (10 % davon sogar eher einen Abbau befürwortet). Da sind sich EU und eine Mehrheit der Befragten ja einig. Zusätzliche Bilaterale Abkommen braucht es nicht. (auch nicht bei der Lebensmittelsicherheit oder Gesundheit.)
Die NZZ hat am 1. März 2014 eine Bestandesaufnahme der Projekte in der Pipeline publiziert. Viele sind in der Zwischenzeit erledigt (Teilnahme am Forschungsprogamm bis 2020, an Erasmus, Zinsbesteuerung). Das Projekt „Reach“ ist mangels Interesse der Chemischen Industrie begraben, weitere Agrarliberalisierung zufolge Widerstand im Parlament „sistiert“. Der „Dialog“ über die Unternehmensbesteuerung führt wohl kaum zu einem Abkommen mit der EU. Das Abkommen über den Emissionshandel ist 2020 in Kraft getreten, obschon die EU der Meinung ist, es gebe keine neuen Bilateralen Verträge mehr. Wenn die EU ihre Wünsche damit erfüllen kann, geht es dann doch. Getreu dem Grundsatz: Verträge gibt es nur, wenn beide Pareien etwas davon haben. Diskutiert wird ferner ein Finanz-Dienstleistungsabkommen. Avenir Suisse hat die Situation differenziert analysiert und nebst dem möglichen Nutzen auch auf die formidablen Hindernisse hingewiesen. Im Zusammenhang mit dem Brexit wird Michel Barnier, der Chefunterhändler der EU mit der Aussage zitiert:

„Finanzdienstleistungen können nicht effizient in wirksamem
Ausmass durch ein Handelsabkommen geregelt werden“

Damit ist er nicht allein. Auch viele Banken fragen sich mittlerweile, was damit gewonnen werden könnte. Auch hier: Wer in der EU tätig ist, muss die dortigen Regeln einhalten. Ohne Neuvertrag. Und welche anderen Märkte sollen denn mit weiteren Abkommen erleichtert zugänglich sein? Zu den Versuchen mit Lebensmittelsicherheit oder Gesundheit Klick unten

Und administrative Erleichterungen jedes Mal
mit Abtretung von Gesetzeskompetenzen an die EU zu bezahlen,
ist unverhältnismässig.

Weitere Infos mit Klick auf die Stichworte
Stromabkommen; Dienstleistungsabkommen; Forschungsabkommen;
Lebensmittelsicherheit; Gesundheit

Klärungen

Der Entwurf zum Neuvertrag samt Anhängen etc. steht und ist paraphiert.
Klartext der EU an die Schweiz: Keine Nachverhandlungen.
Beispiel Schutzklausel.

Die rührenden Versuche der Schweiz, mit Erklärungen der Parteien die Situation zu verbessern, bringen nichts. Widersprechen die „Erklärungen“ dem rechtlich verbindlichen Text, so gilt der Text.


Prof. Michael Ambühl, früherer Verhandlungsführer der Schweiz mit der EU sagt dazu: „Präzisierungen alleine genügen aber nicht.“ (NZZ vom 29.6.2020)

Die Financial Times hat die Versuche der Briten, die EU von ihrer Verhandlungsblockade abzubringen, mit der sarkastischen Bemerkung kommentiert, man habe die alten Vorschläge mit etwas Lippenstift geschmückt zurückgebracht.

Klärungen bringen nur etwas, wenn sie
in den Vertragstext eingearbeitet werden